Appellationsgericht hebt 13 Basel-Nazifrei-Urteile auf
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Basel-Stadt

Appellationsgericht hebt 13 Basel-Nazifrei-Urteile auf

19.04.2024 12:00 - update 19.04.2024 11:39

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Das Basler Strafgericht muss über 13 Verfahren im Zusammenhang mit der Basel-Nazifrei-Demonstration vom November 2018 neu entscheiden. Das Appellationsgericht hat die Ausstandsgesuche gegen das Strafgericht teilweise gutgeheissen.

Das Basler Strafgericht muss über 13 Verfahren im Zusammenhang mit der Basel-Nazifrei-Demonstration vom November 2018 neu entscheiden. Das Appellationsgericht hat die Ausstandsgesuche verschiedener Personen gegen das Strafgericht teilweise gutgeheissen. Grund ist ein «Anschein der Befangenheit».

Die Urteile des Basler Strafgerichts gegen mehrere Personen, die an der Basel-Nazifrei-Demonstration vom November 2018 teilgenommen haben, werden aufgehoben. Dies teilte das Basler Appellationsgericht nach seinem Urteil vom 5. April am Freitag mit. Das Strafgericht werde angewiesen, die entsprechenden Verfahren von «einem unabhängigen und unparteiischen Spruchkörper unter anderem Vorsitz wiederholen zu lassen».

Anschein von Befangenheit

Für den Entscheid massgebend sei der «Anschein der Befangenheit» gewesen, der aufgrund der besonderen Umstände bei den Gesuchstellenden geschaffen worden sei, heisst es im Communiqué. Bei den Gesuchstellenden könnte der Eindruck entstehen, die Strafgerichtspräsidien hätten im Vorfeld der Hauptverhandlungen in Bezug auf Teile des konkreten Sachverhalts und einzelne Rechtsfragen ihre Meinung nicht nur vorläufig, sondern weitgehend unumkehrbar gebildet, sodass die Verfahren nicht mehr als offen erschienen».

Es müssen 13 Verfahren vom Strafgericht neu entschieden werden, wie eine Sprecherin des Appellationsgerichts der Nachrichtenagentur Keystone-SDA bekanntgab.

Auslöser für Neubeurteilung war Bundesgericht

Hintergrund für den Entscheid ist ein Urteil des Bundesgerichts vom Dezember 2022, wonach das Basler Appellationsgericht bei Ausstandsgesuchen gegen das Strafgericht und deren Richterinnen und Richter im Februar 2022 willkürlich entschieden hat. Das Bundesgericht hiess damals die Beschwerden von zehn Personen gut, die an der Basel-Nazifrei-Demo vom November 2018 teilgenommen hatten und angeklagt wurden.

Das Appellationgericht habe den Sachverhalt nicht ausreichend abgeklärt. So habe es beim vorsitzenden Präsidenten des Strafgerichts René Ernst keine Stellungnahme über Inhalt und Umfang der Rücksprachen mit seinen Richterkolleginnen und -kollegen eingeholt.

Interview wird kritisiert

Ernst gab der «Basler Zeitung» Ende September 2020 ein Interview, in dem er sich – nach Rücksprache mit den Kollegen – über die Basel-Nazifrei-Prozesse äusserte. Zu diesem Zeitpunkt waren noch nicht alle erstinstanzlichen Verfahren vor dem Strafgericht Basel-Stadt abgeschlossen, weshalb das Vorgehen nicht nur von den Anwälten der Angeklagten kritisiert wurde. Es wurden Zweifel an der Unvoreingenommenheit der Richterinnen und Richter geäussert.

Das Bundesgericht kritisierte auch, dass das Appellationsgericht sich nicht darum bemüht habe, Einsicht in eine Mail zu erhalten, in dem ein ordentlicher Richter sich über die Absprachen entsetzt zeigte. Die «Wochenzeitung» (WOZ) zitierte in einem Bericht vom April 2021 stellenweise daraus.

Protokolle einer Diskussionsrunde nun einbezogen

Das Appellationsgericht hat dieses Mal zwei Versionen eines Protokolls einer Diskussionsrunde unter dem Titel «Interner Meinungsaustausch» der sechs Präsidien des Strafgerichts neu einbezogen. Darin sei unter anderem von «Beschlüssen» der Diskussionsrunde die Rede. Darüber hinaus würden einige Formulierungen eine gewisse Verbindlichkeit implizieren und kaum Ermessensspielraum erkennen lassen, heisst es.

Das Appellationsgericht musste gemäss Mitteilung nicht darüber entscheiden, ob die Strafgerichtspräsidien tatsächlich befangen waren, da nach der Gerichtspraxis bereits ein «Anschein der Befangenheit als Ausstandsgrund für eine in einer Strafbehörde tätige Person genügt und ein solcher vorliegend gegeben war.»

Seit Jahren damit beschäftigt

Das Strafgericht wird nun über die Anklagen der Staatsanwaltschaft gegen die betroffenen Demoteilnehmenden «durch zum Zeitpunkt der fraglichen Diskussionsrunde nicht im Amt stehende Präsidien» entscheiden müssen.

Die Demonstration von Basel Nazifrei vom 24. November 2018 mit rund 2000 Teilnehmenden gegen eine bewilligte Kundgebung der rechtsextremen Pnos beschäftigt die Justiz seit Jahren. Rund 40 Personen aus dem linksautonomen Milieu mussten und müssen sich vor Gericht verantworten, weil es damals zu Auseinandersetzungen mit der Polizei gekommen ist. (sda/mei/maf)

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19.04.2024 14:45

joergdiego

Strafgericht – Appellationsgericht – Bundesgericht. Die Damen und Herren Richter, gleich welcher Liga, sorgen schon dafür, dass ihre Arbeit nicht ausgeht. Da alle diese Juristen vom Steuerzahler alimentiert werden, muss nun endlich in Erwägung gezogen werden, dass die Mitglieder des Bundesgerichtes auch vom Volk gewählt werden! Wie es sich für eine direkte Demokratie gehört ..

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